Von Mustererkennungsrezeptoren und „maschinellem Lernen“

Die CAPNETZ STIFTUNG unterstützt die Forschung zur ambulant erworbenen Pneumonie (community-acquired pneumonia; CAP) sowie anderen Infektionskrankheiten der unteren Atemwege durch die CAPNETZ-Datenbank und die CAPNETZ Biomaterialien. Mit Erfolg, wie zwei Forschungsarbeiten beispielhaft deutlich machen: zur Bedeutung genetischer Veränderungen von Mustererkennungsrezeptoren bei Infektionen mit Legionella pneumophila und zur Bedeutung von „maschinellem Lernen“ bei der Entscheidung pro und kontra den Einsatz von Makroliden bei moderater bis schwerer CAP.

Mustererkennungsrezeptoren mit reduzierter Sensitivität bei Legionelleninfektion von CAPNETZ Patienten

Legionella pneumophila werden immer häufiger als Erreger von Pneumonien im ambulanten und im stationären Bereich identifiziert, mit hohen Mortalitätsraten zwischen 8 und 34 Prozent. Ruiz-Moreno et al  kamen in ihren Forschungsarbeiten den Ursachen auf die Spur. Sie konnten zeigen, dass bei Patienten mit CAP infolge einer Legionellen-Infektion ein genetisches Merkmal im Mustererkennungsrezeptor cGAS-STING besonders häufig auftritt. Mustererkennungsrezeptoren (PRR; Pattern-recognition receptors) sind für die zelluläre Immunantwort auf Infektionen von essentieller Bedeutung. Sie erkennen molekulare Muster von Bakterien, Viren oder Protozoen und schütten daraufhin Zytokine und Interferone aus, die die Immunantwort aktivieren. 

Bei CAPNETZ-Patienten, die mit Legionella pneumophila infiziert waren, trat ein genetisches Merkmal im Mustererkennungsrezeptor cGAS-STING aber nicht nur gehäuft auf. Die Autoren konnten auch zeigten, dass die HAQ Variante von cGAS-STING eine geringere Sensitivität für molekulare Muster der Legionellen-Infektion aufwies. Folge ist eine fehlerhafte Immunantwort bei den betroffenen CAPNETZ Patienten. Die genetische Variante HAQ cGAS-STING, die bei zwei bis drei Prozent der europäischen Bevölkerung vorliegt, scheint möglicherwiese auch die Pathogenität anderer Erreger zu beeinflussen.

Makrolide bei CAP ja oder nein? Maschinelles Lernen unterstützt die Entscheidung

Bei einer moderaten bis schweren CAP mit einer Krankenhausmortalität von bis zu 14 Prozent sollte rasch eine antibiotische Initialtherapie eingeleitet werden, um die Mortalität zu senken und Komplikationen insbesondere bei Risikopatienten zu reduzieren. Wegen der breiten bakteriellen Abdeckung bietet sich die Kombination von Beta-Lactam-Antibiotika mit Makroliden an.  Makrolide verfügen über ein breites Erregerspektrum, das auch atypische Keime erfasst. Doch der Stellenwert dieser Antibiotika-Gruppe wird immer wieder kontrovers diskutiert, insbesondere wegen ihrer erhöhten Toxizität auf Lunge und Herz, etwa der Verlängerung des QT-Intervalls mit potenziell erhöhtem Risiko tödlicher Arrhythmien, aber auch wegen des hohen Interaktionspotentials. 

Koenig et al 2019 haben Patientendaten und Untersuchungsparameter aus der CAPNETZ-Studie umfassend ausgewertet und, gestützt auf die Methode des maschinellen Lernens, einen einfachen Algorithmus entwickelt, der anhand von drei Patientencharakteristika eine individuelle Entscheidung zum Einsatz von Makroliden erlaubt. Berücksichtigt wurden als Entscheidungsparameter chronische kardiovaskuläre und chronische respiratorische Komorbiditäten sowie die Zahl der Leukozyten im respiratorischen Sekret bei Einweisung. Der Algorithmus verglich dabei verschiedene Therapiestrategien, die bei CAPNETZ Patienten unterschiedlicher Hintergründe erfolgreich waren, und erkannte Muster in den beschriebenen Komplikationen. Das Ergebnis: Patienten ohne die genannten Komorbiditäten und gleichzeitig hohen Leukozytenzahlen profitieren von einer zusätzlichen Therapie mit Makroliden. Die Patienten hatten eine um 27% geringere Mortalität im Vergleich zur beobachteten Standardtherapie. Patienten, die vorbelastet sind, sollten demnach keine Makrolid-Antibiotika erhalten, um Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen oder gar Herzstillstand zu vermeiden. Eine gezielte Anamnese scheint demnach eine Stratifizierung der Patienten zu erlauben. Die Autoren weisen allerdings darauf hin, dass dieser Schritt hin zu einer personalisierten Medizin eine randomisierte, kontrollierte Studie erfordert. 

CAPNETZ STIFTUNG: Förderer von mehr als 200 wissenschaftlichen Publikationen

Diese und viele andere Forschungsarbeiten zur CAP wären nicht möglich ohne die CAPNETZ STIFTUNG. Sie bietet Wissenschaftlern Zugang zur bestehenden Daten- und Biomaterialbank. Aus dem über 20 Jahre bestehenden Netzwerk entstanden bisher über 200 wissenschaftliche Publikationen. Die Reichweite dieser Publikationen wird erweitert durch Artikel, Referate und andere Formate von Veröffentlichungen im deutschsprachigen Raum, darunter Übersichtsarbeiten für die regelmäßig erscheinende Rubrik „Pneumofokus“ der Zeitschrift Pneumologie. Forscher aus Deutschland, Europa und darüber hinaus können einen Projektantrag zur Nutzung von Daten oder auch Biomaterialien stellen.